Eigentlich wollte Yvonne Ammer als Kind Hebamme werden. „Mich faszinierte einfach die Tatsache, Leben auf die Welt zu holen“, sagt die heute 52-Jährige. „Irgendwie steckt ja auch schon in meinem Namen Ammer das Wort Amme.“
Hebamme blieb ein Kinderwunsch, wie auch der eigentlich erlernte Erstberuf Näherin nur eine Art Zwischenetappe war. Denn gearbeitet hat sie später jahrzehntelang als Friseurin – später auch als Friseurmeisterin und SALONleiterin. „Ich bin dann doch eher zu meinen Wurzeln zurück gekehrt, denn die Kunst des Frisierens lag bei uns ja in der Familie.“ Immerhin waren oder sind in ihrer Familie etliche Mitglieder im Metier der schönen Haare unterwegs.
Das Wort Salon will sie übrigens mit Bedacht und Hintersinn groß und fett geschrieben wissen – steht SALON doch sinnbildlich für einen Schwerpunkt der künftigen Ausrichtung, oder besser SALONkultur. Aber dazu später.
Anfang 2017 trat Stadtmensch in ihr Leben und krempelte es nachhaltig um. Sie wollte weg vom klar strukturierten Friseurhandwerk. „Ich wollte mehr mitgestalten und meine eigenen Ideen in die Stadt schmeissen.“ Die 50-Jährige startete sozusagen als Stadtmenschin neu durch und wurde begeisterte Bufdiene bei der Farbküche, einem der Anker des Stadtmenschenprojektes.
Das Ziel dieses anderthalbjährigen Ausflugs in die Vielfalt sozialer Projekte war, von Anbeginn, daraus eine stetige Berufung zu machen. „Das war uns vom ersten Tag an klar.“
Nach den 18 Monaten machten Yvonne und ihre Unterstützer in einem mittlerweile großen Netzwerk jetzt wie geplant Nägel mit Köpfen: „Schnitt und Schnittchen“ heißt das erste Kind aus der Ammerschen Kreativschmiede.
Aber was steckt dahinter? Kurz gesagt kehrt Yvonne damit zurück zu ihren Wurzeln als Friseurmeisterin, packt dazu aber all jene Erfahrung aus der intensiven Zeit als Bufdiene. Und sie betritt damit mutig NEULAND.
Von 2021 bis 2022 wurde ihr Projekt „Schnitt und Schnittchen“ von der Robert Bosch Stiftung als Neulandgewinnerprojekt gefördert worden. Sie wurde aus über 200 Projektbewerbungen ausgewählt.
„Schnitt und Schnittchen“ war 2 Jahre lang ein Ort der Begegnung und des Austauschs, offen für jeden. Ein Stadtmensch-Ankerpunkt am Kornmarkt in Altenburg.
Das Konzept: „Für mich ist es wie eine Art Tauschzentrale. Es wird ein Geben und Nehmen zum Wohle der Stadt Altenburg und der hier lebenden Menschen sein. Sie lassen mich und uns von ihren Stärken und Fähigkeiten jeder Art profitieren. Ich sorge im Gegenzug für das Wohlfühlen auf dem Kopf“. Umschreibt es Yvonne. An das leibliche Wohl ist auch gedacht: Bei Tee redet es sich bekanntlich leichter.
„Eine typische Salonkultur eben, wie sie schon 1605 entstanden ist, um einen allumfassenden Gedankenaustausch miteinander in einem gemütlichen Ambiente erlebbar zu machen. Ich übernehme dort sozusagen den Part der Salondame und sorge bei meinen Besuchern sowie Machern als Frisörin auch äußerlich für neue Köpfe“, sagt die Neulandgewinnerin.
Rückblickend lässt es sich am besten als „Raum und Rahmen zur Entfaltung“ beschreiben. Hier trafen viele unterschiedliche Menschen aufeinander. Wurden Freunde, entwickelten sich weiter, brachten eigene Ideen ein. Gerade während Corona war „Schnitt und Schnittchen“ ein wichtiger Ankerpunkt. Denn gerade während dieser Zeit war ein Tee mit einem tiefgründigen Gespräch für viele Altenburger besonders wichtig.
2023 geht Yvonne völlig neue Wege. Nach 52 Jahren kehrt sie erstmals ihrer Heimatstadt Altenburg den Rücken.
Mit der Erkenntnis, dass es keinen Raum braucht, sondern nur eine Kiste mit Glitzer, Heißklebepistole, Stoff, Nähzeug, Friseur-Schere, Fliesen und Gedöns, zieht es Yvonne hinaus in die Welt, um die Yvonnisierung voran zu treiben.
Denn egal wo sie ist: sie regt Prozesse an. Manchmal durch ein Teegespräch, eine Wanderung, durchs Ziehen einer Mögli-Karte, durchs Basteln oder eben beim Haare machen.
Dabei stößt sie immer Veränderungen bei ihrem Gegenüber an. Sie spürt genau, welches Thema gerade dran ist und erteilt liebevoll Hausaufgaben, um es aufzulösen.
Eine kreative Prozessakteurin eben 🙂 für Groß und Klein.
In einem exklusiven Interview erklärt Yvonne, dass ihr schon immer klar war „Mit 50 mache ich nochmal was anderes!“
„Neben frischer Frisur gibt es Kunst, Kuchen und Kultur“
… und zwar alles bei Schnitt und Schnittchen!
Yvonnes Lebensaufgabe ist es Freude zu verbreiten. Wie genau das aussieht und warum jeder eine Yvonne braucht.